DIALOG MIT DEN STERNEN Mutter, sieh mich an, hier stehe ich, kannst du mich durch die Jahre hindurch nicht mehr erkennen? Mitunter denke ich, dass ich dir sehr ähnlich bin, findest du nicht auch? Und darum stehe ich hier, um von dir zu erzählen, denn somit ist auch den Menschen, die diese Zeilen lesen, ein Stück meiner selbst gewiss. Nun freilich, es liegt nun schon weit über ein volles Jahrzehnt zurück, als wir mit Großmutter in der glühenden Sommerhitze im Wald unterwegs waren, um Heidelbeeren zu sammeln. Kannst du dich nicht an jenen Tag im August erinnern, als wir abends auf der Terrasse saßen, um die Beeren zu säubern, und dir der Gedanke kam, dich an einem Heidelbeerkuchen zu probieren? Du hattest noch nie einen gebacken. Ich habe deinen Gesichtsausdruck bis heute nicht vergessen, als du tags darauf unter den Augen der ganzen Familie, das Backblech mit dem Kuchen aus dem Ofen gezogen hast? Zu der Erkenntnis, dass der Kuchen misslungen war, bedurftest du nur eines flüchtigen Blickes, ehe du traurig in unsere kleine Runde blicktest. Und doch gabst du jedem von uns ein Stück zur Probe, auch wenn der Kuchenboden steinhart war. Aber ich war gutmütig und biss voller Elan hinein. Dass jedoch in den folgenden Tagen der Kuchen nicht so recht weniger werden wollte, war nicht zuletzt auch dir aufgefallen, denn so stelltest du allabendlich nach dem Essen fast schon unbemerkt, einen Teller jener Heidelbeerkuchenschnitten auf den Essenstisch. Und nur um dir einen Gefallen zu tun, langte ich doch dann und wann zu und versuchte ihn mit verstellter Miene zu verschlingen. Ob mir das zu jener Zeit geglückt ist ohne einen gewissen Verdacht zu erwecken, muss ich bis heute stark bezweifeln, denn der Schleier der Vergangenheit hat sich auch um meine Augen gelegt. Jedoch soweit ich die Stufen meiner Kindheit hinabzusteigen vermag, so glaube ich doch zu erkennen, dass es niemals wieder einen von dir gebackenen Heidelbeerkuchen gab.
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